Einleitung

Geschichte und Statistik

1863 fragte sich Johann Gustav Droysen, was die Geschichte in den Rang einer Wissenschaft erhebe. Anlass dafür war eine Publikation von Henry Thomas Buckle, die wenige Jahre zuvor erschienen war und ein immenses Publikumsinteresse hervorrief. Buckle unternahm in seiner zweibändigen „History of Civilization in England“ den Versuch, die Geschichte des Landes mit naturwissenschaftlichen Methoden zu erklären. Nicht nur das: Ausschließlich diese Vorgehensweise ermögliche es, so Buckle, die auch für die Geschichte geltenden, unwandelbaren und allgemeinen Gesetze zu formulieren. Die Statistik spielte bei seinem Ansatz eine wesentliche Rolle. Droysen nahm sich die Argumente Buckles in seiner Besprechung in der Historischen Zeitschrift im Einzelnen vor.1 Seine Einwände gegen dessen Anwendung der Statistik veranschaulichte er an einem Beispiel:

„Mag immerhin die Statistik zeigen, daß in dem bestimmten Lande so und so viele uneheliche Geburten vorkommen, […] daß unter tausend Mädchen 20, 30, wie viele es denn sind, unverheiratet gebären, – jeder einzelne Fall der Art hat seine Geschichte und wie oft eine rührende und erschütternde, und von diesen 20, 30 Gefallenen wird schwerlich auch nur eine sich damit beruhigen, daß das statistische Gesetz ihren Fall ,erkläre‘ […]“2

Nun könnte man meinen, es handele sich hierbei um einen rein akademischen Disput zweier gelehrter Männer, aber das war mitnichten so. Im Grunde genommen hat die Frage nach der Bedeutung der Statistik – auch wenn es seither vermutlich nicht mehr so formuliert worden ist – in den folgenden 150 Jahren die Gemüter vielfach entzweit – und sie fiel in eine Aufbruchphase, deren Dynamik bis heute beeindruckend ist.3
Buckle sah sich in der Tradition des belgischen Statistikers und Astronomen Adolphe Quetelet. Zwischen 1827 und 1835 untersuchte Quetelet eine Vielzahl von statistischen Daten in Form von Tabellen und Grafiken: Geburts-und Todesraten in Abhängigkeit von den Monaten und der Temperatur, den Zusammenhang von Mortalität, Berufen und Orten, in Gefängnissen und Krankenhäusern usw. Seine Erkenntnisse resultierten schließlich 1835 in einer ersten Buchausgabe seiner „Physique sociale“, die ihm internationale Beachtung als Sozialwissenschaftler einbrachte. Zu seinen größten Bewunderern zählte Ernst Engel, von 1850 bis 1858 Leiter des neu geschaffenen Statistischen Büros des königlichen Ministeriums des Innern in Sachsen und von 1860 bis 1882 Direktor des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus. Ernst Engel gestaltete die Entwicklung der amtlichen Statistik in Deutschland maßgeblich mit. Seine Auffassung über die Bedeutung statistischer Gesetzmäßigkeiten wurde aber in der amtlichen Statistik nicht von jedermann geteilt. Einig war man sich jedoch über die Notwendigkeit des Erhebens, Auswertens und Publizierens entsprechender Daten.
Mit der Institutionalisierung der amtlichen Statistik ging eine wahre Publikationsflut einher. Statistik wurde auf Drängen der entstehenden bürgerlichen Öffentlichkeit, dank des Engagements einzelner Amtsleiter und schließlich auch durch aufgeschlossene Mitglieder verschiedener Herrschaftshäuser von einer geheimen Staatszu einer öffentlichen Angelegenheit.4 Während ausgesuchte Tabellen zunächst in Regierungsblättern oder Almanachen ihren Platz fanden,5 wurden ab der Jahrhundertmitte in Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg und andernorts eigene Publikationsorgane ins Leben gerufen.6 Allein von der „Preußischen Statistik“ wurden zwischen 1861 und 1934 nicht weniger als 305 Bände publiziert.
Auf Reichsebene wurde 1873, ein Jahr nach Gründung des Kaiserlichen Statistischen Amtes, die „Statistik des Deutschen Reichs“ als offizielle Publikationsreihe begründet. 1880 erschien, ergänzend dazu, das erste „Statistische Jahrbuch für das Deutsche Reich“. Zu diesem Zeitpunkt zählte die „Statistik“ schon 40 Bände. Als sie drei Jahre später durch die „Neue Folge“ abgelöst wurde, waren bereits rund 40 000 Seiten in 63 Bänden veröffentlicht. Die „Neue Folge“ sollte es bis 1944 dann auf nicht weniger als 601 Bände bringen.
Basis der Veröffentlichungen bildete ein stetig wachsendes Programm eigenständiger Großzählungen (Volks-, Berufs-, Betriebs-, Gewerbezählungen etc.) sowie von Statistiken, die aus laufenden Verwaltungsvorgängen heraus erhoben wurden, oder solcher, die die amtliche Statistik von anderen Datenproduzenten übernahm.7 Ein Großteil dieses Produktionsund Publikationseifers entsprang wirtschaftsund sozialpolitischen Ambitionen, doch lassen sich politisches und wissenschaftliches Erkenntnisinteresse nicht klar trennen.8 Ernst Engel beließ es nicht bei der Zusammenstellung von Statistiken, sondern sah seine Aufgabe vor allem in deren Analyse. Ähnliches gilt für Georg von Mayr, 1869 bis 1879 Leiter des Bayerischen Statistischen Bureaus und gleichzeitig außerordentlicher Professor an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München. Mayr verfasste ein Werk über die „Gesetzmäßigkeit im Gesellschaftsleben“ (1877), vor allem aber das zwischen 1895 und 1917 herausgegebene dreibändige Opus magnum „Statistik und Gesellschaftslehre“, eine „monumentale Anhäufung von Zahlenreihen über jedes denkbare Thema“.9 Im Vergleich zu Engel sah Mayr aber die statistischen Gesetze viel stärker räumlichen und zeitlichen Einschränkungen unterworfen.
Parallel zur amtlichen Statistik, aber weitgehend unter ihrer Beteiligung, gründete man auch eine ganze Reihe wissenschaftlicher Vereine und Zeitschriften, die sich systematisch oder gar ausschließlich wirtschaftsund sozialstatistischen Fragestellungen widmeten.10 Schließlich wurden, ergänzend zur amtlichen Statistik, eigene Erhebungen (Enqueten) durchgeführt oder das mannigfaltig gewachsene, amtliche Material retrospektiv aufbereitet.11

Material war also in Hülle und Fülle vorhanden. An seiner Auswertung schieden sich jedoch nicht nur die Geister von Engel und Mayr. Überwiegend Einigkeit herrschte darüber, dass eine weit in die Vergangenheit zurückreichende, statistische Betrachtung einschließlich eines darauf aufbauenden Postulierens universaler Gesetzmäßigkeiten kaum den Kriterien einer wie auch immer verstandenen Wissenschaft genügen würde. Umstrittener war dagegen, inwieweit historische Studien generell mit statistischen Daten umgehen sollten und bis zu welchem Grad eine statistische Analyse eben auch historisch zu sein habe.
Man würde Droysen unrecht tun, unterstellte man ihm eine generelle Ablehnung quantifizierender Methoden und statistischer Untersuchungen,12 aber die sich etablierende, sich insbesondere auf ihn berufende Geschichtswissenschaft entfernte sich zunehmend von der Statistik. Statistik sah man hier grundsätzlich als für historische Fragestellungen ungeeignet an. Differenzierter urteilte die sogenannte jüngere historische Schule der Nationalökonomie, insbesondere ihr Hauptvertreter Gustav Schmoller. Statistiken waren für ihn unumgänglich, aber Gesetze im Sinne Quetelets und seiner Nachfolger lehnte er ebenso ab wie universale ökonomische Gesetze und betonte dagegen die Zeitund Ortsgebundenheit von Massenphänomenen in der Gesellschaft: „Wir dürfen, wenn wir nach dem historischen Fortschritt suchen, nicht übersehen, daß nur ein sehr kleiner Teil des geistigsittlichen Lebens der Völker eine statistische Beobachtung zulässt, daß eine gewisse Konstanz auf den paar beobachteten Punkten die größten anderweitigen Aenderungen auf dem umfangreichen übrigen Gebiete nicht ausschließt.“13 Noch 1911, 40 Jahre später, schrieb er in seinem Beitrag „Volkswirtschaft, Volkswirtschaftslehre und -methode“ im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“, dass solche statistischen Regelmäßigkeiten jedoch nicht überbewertet werden dürften, wie dies etwa durch Quetelet oder Buckle geschehen sei.14
Die Abgewogenheit derartiger Urteile übersah man zu dieser Zeit aber bereits. Die Ökonomie wurde zunehmend theoretisch, die Soziologie gegenwartsbezogen, die Geschichtswissenschaft ereignisorientiert. Eine Verbindung von Geschichte und Statistik galt als gemeinhin diskreditiert.15 Abgesehen von wenigen Randgebieten wurde in Deutschland erst wieder in den 1970er Jahren, nun aus dem Ausland inspiriert, in größerem Rahmen und mit breiterem Anspruch eine quantitative Geschichtswissenschaft betrieben. Diese schoss teilweise über das Ziel hinaus, wenn sie Problemauswahl und Themendefinition von den Quantifizierungsmöglichkeiten her auslotete. Rückblickend betrachtet darf man aber festhalten, dass zum einen der Verallgemeinerungsanspruch der konkreten Ergebnisse in aller Regel erheblich geringer ausfiel als etwa bei Buckle, die Kritiker der Statistik andererseits weitaus ablehnender gegenüberstanden, als es zum Beispiel bei Droysen der Fall war.
In den vergangenen Jahren ist das Klima in der Wissenschaftslandschaft ideologisch deutlich entspannter geworden. Die Soziologie zeigt, von Ausnahmen abgesehen, ein eher geringes Interesse an historisch-statistischen Daten, dagegen sind die Berührungsängste zwischen der theoretischen Ökonomie und der Wirtschaftsgeschichte wieder geringer geworden. Die Verwendung statistischer Daten in der Geschichtswissenschaft wird heute weder verteufelt noch glorifiziert.
Um es in Droysens Worten zu sagen: „Es wird keinem Verständigen einfallen zu bestreiten, daß auch die statistische Betrachtungsweise der menschlichen Dinge ihren großen Werth habe; aber man muss nicht vergessen, was sie leisten kann und leisten will.“16

Konzept und Voraussetzungen

Ziel des vorliegenden Bandes ist die Bereitstellung einer kompakten, aktuellen Historischen Statistik von Deutschland, die Referenzdaten für das 19., 20. und 21. Jahrhundert in Form durchgehender Zeitreihen bietet und diese in die jeweiligen thematischen Kontexte einordnet.
Für einen derart langen Zeitraum, in dem sich die Welt grundlegend gewandelt hat, ein solches Werk zu erstellen, ist ein Unterfangen, das sich mehr als andere seiner Grenzen bewusst sein muss. Die amtliche Statistik als wesentliche Quelle hat sich aus gutem Grund nicht bemüht, durch die Zeitläufe konsistent zu bleiben, um es den Historikerinnen und Historikern leicht zu machen. Neuberechnungen, Neuzuordnungen und Umbasierungen waren immer wieder aus aktuellem Anlass notwendig. Was macht es dann für einen Sinn, Jahr für Jahr aneinanderzureihen und damit eine Entwicklung von bis zu 180 Jahren über verschiedene politische Systeme und strukturelle Brüche hinweg zu beschreiben? Ist es nicht vielmehr so, dass derart lange und durchgehende Zeitreihen der historischen Komplexität nicht gerecht werden, man über solch lange Zeiträume, in denen sich die Bedeutung der Dinge ändert, zwangsweise Äpfel mit Birnen vergleicht? Hätte man stattdessen nicht eher periodenoder epochenspezifische Statistiken zusammenstellen müssen? Damit wäre man sicher näher am Geschehen, aber: Nur in einer langfristigen Betrachtungsweise werden die großen Entwicklungslinien und Strukturbrüche sichtbar. Eine epochenund systemübergreifende Sicht, gewissermaßen aus der Vogelperspektive, bietet Einsichten, die einem kurzoder mittelfristigen Blick verborgen bleiben.17 Aufgabe der Wissenschaft ist es, hierbei eine angemessene Quellenkritik zu üben: Haben sich Erhebungsmethodik, Qualität, Definitionen, Abgrenzungen etc. im Lauf der Zeit so geändert, dass Umrechnungen notwendig sind? Sind diese überhaupt möglich? Oder ist die Konstruktion einer langen Reihe gar nicht zu rechtfertigen? So oder so gilt es, die Aussagefähigkeit der Zahlen einzuordnen und gegebenenfalls in einem zweiten Schritt die durch die amtliche Statistik und andere Institutionen vorgegebenen und sich wandelnden Definitionen und Kategorien in solche zu überführen, die die Grundlage einer vergleichenden Analyse bilden können. Diese Aufgabe zählt zu den wichtigsten – und mühsamsten – einer gegenwärtigen und zukünftigen Historischen Statistik. Unverzichtbar ist in jedem Fall eine begleitende Interpretation. Wesentlicher Aspekt des vorliegenden Bandes war daher die Kombination der Zusammenstellung von Daten mit einer kritischen Kommentierung und Begleitung des Auswahlprozesses durch ausgewiesene Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler, die die hier abgedruckten Beiträge verfasst haben.18
In den vergangenen Jahrzehnten hat es eine Reihe von Projekten und Unternehmungen gegeben, die ebenfalls historische Statistikdaten zusammengestellt haben und die für dieses Werk eine wichtige Basis bilden.19 Hier sind im Wesentlichen sieben zu nennen, die sich hinsichtlich Breite, Tiefe und Anspruch erheblich unterscheiden. Gemein ist allen, dass sie ganz überwiegend auf der eingangs erwähnten umfangreichen Produktion der amtlichen Statistik beruhen.
1. Abseits der Hauptrichtungen der Ökonomie und Wirtschaftsgeschichte hat Walther G. Hoffmann 1965 die Monografie „Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts“ publiziert, die in zahlreichen Tabellen eine Rekonstruktion der ökonomischen Entwicklung seit 1850 unternimmt.20 Hoffmann verfolgte hier den Ansatz, ausgehend von der Frage nach den Gründen des Wirtschaftswachstums, möglichst geschlossene Reihen zu präsentieren und zu interpretieren und dabei vorhandene Lücken so weit wie möglich durch Annahmen, Schätzungen und Interpolationen zu schließen. Viele dieser Schätzungen sind in der wirtschaftshistorischen Forschung auf zum Teil erhebliche Kritik gestoßen, die auch mit Neuschätzungen verbunden waren, doch sind die Daten in großen Teilen immer noch ohne Alternative.
2. Das Statistische Bundesamt hat anlässlich des 100-jährigen Bestehens der zentralen amtlichen Statistik 1972 die Publikation „Bevölkerung und Wirtschaft“ herausgegeben, in der etwa 1 400 Zeitreihen unterschiedlichster Länge mit summarischen Quellenangaben zusammengestellt wurden.21
3. Seitens der Soziologie wurden von Wolfgang Zapf und Peter Flora im Rahmen mehrerer Projekte Datenhandbücher zusammengestellt, die jedoch von der historischen Forschung kaum rezipiert wurden.22
4. Aus der Geschichtswissenschaft ist vor allem ein zwischen 1978 und 1987 erschienenes mehrbändiges Werk mit dem Reihentitel „Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte“ zu nennen, das für eine Historische Statistik von Deutschland bis heute unentbehrlich ist.23 Eigentlich für Schule und Studium konzipiert, gingen die Bände aber rückblickend betrachtet weit darüber hinaus: Fast alle Kapitel vereinen sorgfältige Zusammenstellungen historischer Statistiken mit fundierten historischen Interpretationen. Sie wurden durchweg von renommierten Historikern verfasst und auch in der Fachwissenschaft positiv aufgenommen – sind aber freilich inzwischen rund drei Jahrzehnte alt.
Dem schlossen sich zeitlich zwei historische Großprojekte an, die ganz unterschiedlich konzipiert waren: 5. Zum einen die (bislang noch nicht abgeschlossene) Zusammenstellung der „Datenhandbücher zur deutschen Bildungsgeschichte“ (1987ff.),24 zum anderen 6. die „Quellen und Forschungen zur historischen Statistik von Deutschland“ (1986 – 2001).25
Schließlich ist 7. noch zu erwähnen, dass im Rahmen der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesarchiv herausgegebenen elfbändigen „Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945“ zwei „Statistische Übersichten zur Sozialpolitik in Deutschland seit 1945“ zusammengestellt wurden, die, anders als der Titel vermuten lässt, über den engeren Bereich der Sozialpolitik hinausgehen.26
Abgesehen von diesen Großprojekten wurde im Lauf der vergangenen Jahrzehnte eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen erarbeitet, in deren Rahmen in unterschiedlichem Umfang historische Zeitreihen zusammengestellt wurden. Solche Daten werden seit 2004 – bei Einverständnis der Autorinnen und Autoren sowie geklärter Rechtslage – in einer Online-Datenbank „histat“ gesammelt und über das Internet bereitgestellt.27

Aufbau und Inhalt

Alles in allem wurden im Rahmen der Publikation 131 Tabellen mit über 1 100 Zeitreihen zu 24 verschiedenen Themen für Deutschland in den verschiedenen Grenzen von frühestens 1834, der Gründung des Zollvereins, bis 2018 zusammengestellt.
Für alle Themen wurde ein einheitliches formales Schema vorgegeben: Es sollten nach Möglichkeit pro Kapitel rund 50 Zeitreihen, gebündelt in vier bis sechs Tabellen, zusammengestellt werden, die die statistische Grundlage für das jeweilige Thema bilden. Ausgewählte Reihen daraus werden, teilweise einzeln, teilweise in Kombination mit anderen, grafisch dargestellt. Der Anhang jedes Kapitels gibt einen kompakten Überblick über die Datengrundlage, schließlich werden Hinweise zu weiterführender Literatur gegeben.

Inhaltlich war angesichts der Fülle des vorhandenen Materials eine konzeptionelle Einschränkung geboten. Um das Unterfangen bei endlichen Ressourcen handhabbar zu machen, beschränkten sich die Bemühungen auf die Zusammenstellung 1. publizierter Daten und 2. ohne regionale Differenzierung. Dabei sollten verstreut vorhandene historische Zeitreihen identifiziert, zusammengestellt und bei vertretbarem Aufwand ergänzt bzw. aktualisiert werden. Es sollten die „bestmöglichen“ bzw. „wichtigsten“ Zeitreihen für Deutschland zusammengestellt werden, und zwar nur solche, für die zumindest theoretisch für den gesamten Zeitraum Werte vorhanden sein können.
Nun muss man sich zu Recht fragen, ob es bei allen Veränderungen, die Deutschland in den vergangenen 180 Jahren kennzeichnen, überhaupt eine „Identität des Erkenntnisobjektes“28 gab. Besonders deutlich wird dies angesichts der vier Jahrzehnte währenden Teilung Deutschlands in zwei souveräne Staaten. Die Frage, wie die DDR im Rahmen einer Historischen Statistik von Deutschland zu behandeln ist, führt zu einem Dilemma. Nun, da sie für eine derartige Publikation ja erstmals „Geschichte ist“, muss man sich diese Frage aber stellen. Sowohl ihr Vorhandensein als paralleler Staat mit einem völlig unterschiedlichen politischen System als auch ihr Fehlen aus einer Perspektive heraus, die die Bundesrepublik als die eigentliche Traditionslinie einer „deutschen“ Wirtschaftsund Sozialgeschichte sieht, müssen in geeigneter Form berücksichtigt werden. Insbesondere den einzelnen Autoren oblag es, für ihr Thema zu beurteilen, inwieweit sich die Statistik der DDR in das Gefüge einer Historischen Statistik von Deutschland sinnvoll eingliedern lässt, oder ob es hier noch weiterer Forschung bedarf und diese einer eventuellen Neuauflage vorbehalten bleibt. Ziel sollte es aber nicht sein, eigene DDR-Statistiken zu präsentieren, sondern zu den vorhandenen Reihen zusätzlich passende DDRDaten bereitzustellen. Da hier erstmals der Versuch unternommen wird, diese Statistiken in lange Reihen einzugliedern, wurde dem Band ein Querschnittskapitel zur DDR-Statistik vorangestellt.
Dabei war die deutsche Teilung nicht die einzige gravierende Gebietsveränderung im Beobachtungszeitraum. Die Größenordnungen zeigen sich bereits bei Betrachtung der grundlegendsten Statistik überhaupt, der Bevölkerungszahl: 1834 lebten auf dem Gebiet des Deutschen Zollvereins etwa 23,8 Millionen Menschen.29 Allein durch die Gebietserweiterungen bis 1866 kamen 4,6 Millionen hinzu. 1866 lebten auf dem Gebiet des Zollvereins bereits 31,4 Millionen und im Jahr der Reichsgründung 1871 war dort die Bevölkerung auf 37,3 Millionen gewachsen. Durch die Gebietserweiterungen im Zuge der Reichsgründung wuchs die Bevölkerung um weitere 10 Prozent, auf insgesamt 41 Millionen. Das Ergebnis des Ersten Weltkriegs war, dass – neben etwa 3 Millionen getöteten Soldaten, Zivilistinnen und Zivilisten – Gebiete mit 7 Millionen Menschen nun nicht mehr zu Deutschland gehörten. Aus diesen Gebieten migrierten in den Folgejahren rund eine Million Personen ins Reich. Trotz eines kontinuierlichen natürlichen Bevölkerungszuwachses (zwischen 1834 und 1913 jährlich etwa 1,2 Prozent im Durchschnitt) verringerte sich die deutsche Bevölkerung durch Krieg und Gebietsverlust von 67,8 Millionen im Jahr 1914 auf 62,9 Millionen im Jahr 1919 (Rückgang um 7,2 Prozent). Der Zweite Weltkrieg hatte noch schwerwiegendere Auswirkungen auf Gebietsgröße und Bevölkerungszahl. 7 Millionen Deutsche – Soldaten, Zivilistinnen und Zivilisten – starben. Im Osten musste Deutschland Gebiete abtreten, in denen bei Kriegsbeginn 1939 etwa 9,6 Millionen Menschen gelebt hatten. Während die Bevölkerung Deutschlands im Reich 1937 67,8 Millionen Menschen zählte, verteilte sie sich 1946 auf 18,1 Millionen Menschen in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR und 45,3 Millionen Menschen auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik.

Es gibt kein Patentrezept, wie mit diesen Schwierigkeiten generell umzugehen ist. Um der Besonderheit der territorialen und politischen Veränderungen zunächst einmal formal Rechnung zu tragen (inhaltlich stand den Autoren ihre Gewichtung weitgehend frei), wurden die Daten in vier große Bereiche untergliedert. In jeder Tabelle werden vier politische/geografische Einheiten unterschieden, für die Werte aufgenommen wurden:

A Zollverein/Deutsches Reich (1834 –1945)
B Bundesrepublik Deutschland (1949 –1989)
C DDR (1949 –1989)
D Deutschland seit der Wiedervereinigung (ab 1990)

Die Angaben der Jahreszahlen sind dabei nur als Orientierung zu verstehen. Es ist durchaus möglich, dass Reihen etwa für das Gebiet der alten Bundesrepublik oder die neuen Bundesländer nach 1990 fortgeschrieben werden oder gesamtdeutsche Daten vor 1990 vorlagen bzw. rekonstruiert wurden. Konstituierend für den Aufbau der Tabellen ist, dass für die vier Gebietseinheiten stets dieselben „Variablen“ verwendet wurden. Es gibt also keine Änderungen in den Bezeichnungen für die einzelnen Abschnitte von 1834 bis 2018. Im Rahmen dieser Publikation wurden ausschließlich solche Zeitreihen aufgenommen bzw. zusammengestellt, bei denen eine durchgehende Bezeichnung zu rechtfertigen war. Für jede Reihe wurden, soweit möglich, Werte für jedes Jahr erhoben. Um den Band nicht zu überfrachten, wurden in den Tabellen aber nur ausgewählte Jahre wiedergegeben. Die Auswahl der Jahre oblag dabei den jeweiligen Autoren. Bei den grafischen Darstellungen wurden alle vorhandenen Werte der abgebildeten Reihen berücksichtigt.
Für eine nicht unerhebliche Anzahl von Zeitreihen konnten Zahlen für die DDR Aufnahme finden. Zu der hier verwendeten „gesamtdeutschen“ Sicht inkompatible Statistiken für die DDR wurden nur in besonderen Ausnahmefällen berücksichtigt und aufgenommen, wenn es dennoch konzeptionell geboten schien. Dies war der Fall bei der Sozialversicherung, den Berufstätigen in der Industrie, beim Tourismus, im Handwerk und in der Bauwirtschaft, bei der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sowie der Zahlungsbilanz.
Ebenso oblag es den Autoren zu entscheiden, ob im jeweiligen Zusammenhang nominale oder reale Preisangaben sowie absolute oder relative Größen („pro Kopf“) sinnvoll waren.
Welche Daten wurden konkret verwendet? Grundlage war zunächst die Publikation „Bevölkerung und Wirtschaft“ des Statistischen Bundesamtes.30 Diese basiert überwiegend auf den Ergebnissen amtlicher Erhebungen, die aus den offiziellen Publikationen des Statistischen Reichs- und Bundesamtes (Jahrbücher, Fachserien) zusammengetragen wurden, bei einzelnen Themen ergänzt um Statistiken weiterer amtlicher oder „quasiamtlicher“ Stellen. Da deren Erscheinen über vier Jahrzehnte zurückliegt und verschiedene Themen gar nicht behandelt wurden (z. B. Umwelt, Kultur, Freizeit, Sport) bzw. mehrere Themen nur mit sehr kurzen Zeitreihen Aufnahme fanden, bestand der erste Schritt darin, aus diesem Bestand Reihen auszuwählen, zu verlängern, gegebenenfalls um Daten zur DDR zu ergänzen und zu überlegen, welche weiteren Reihen und Themen hinzugefügt werden können. Insgesamt wurde in 12 der 22 Kapitel in unterschiedlichem Umfang Gebrauch von „Bevölkerung und Wirtschaft“ gemacht. Ergänzend wurden rund 500 weitere Fachserien, Sonderpublikationen und Jahrbücher der Statistischen Ämter sowie verschiedener weiterer Behörden, Vereine und Verbände verwendet. Eine große Hilfe war dabei die Zeitreihen-Datenbank „histat“, die in vielen Fällen Ausgangspunkt für weitere Recherchen war. Weil es trotz aller Kritik am Werk von Walther G. Hoffmann bislang für die von ihm bearbeitete Periode (1850 –1959) oder zumindest von Teilperioden davon keine Alternative gibt, wurden in sieben Kapiteln dessen Daten verwendet, und zwar in den Kapiteln Arbeit und Einkommen, Bauen und Wohnen, Finanzen und Steuern, Geld und Kredit, Handel, Landwirtschaft und Preise. Die „Datenhandbücher zur Bildungsgeschichte“ sowie die „Quellen und Forschungen zur historischen Statistik“ wurden bei der Aufnahme systematisch berücksichtigt. Auf die Daten von Flora wurde mit einer Ausnahme nicht zurückgegriffen. Die restlichen Daten entstammen mehreren Dutzend Spezialpublikationen, ganz überwiegend neueren Datums.
Nahezu alle Reihen weisen Daten für die (alte) Bundesrepublik auf, 80 Prozent der Reihen Daten für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, gut die Hälfte Daten für das 19. Jahrhundert, letztere freilich mit Lücken und/oder erst gegen Ende des Jahrhunderts einsetzend. Über 100 Reihen beginnen vor der Mitte des 19. Jahrhunderts. Für rund ein Drittel der Reihen (mit Unterschieden in den Kapiteln) konnten auch DDR-Daten erhoben werden.

Ausgewählte Beispiele im Überblick

Obwohl es nicht die Absicht der Zusammenstellung war, neue Forschungsergebnisse zu produzieren, ist auf einige Daten beispielhaft besonders hinzuweisen. Im Kapitel zur Bevölkerung werden erstmals Zeitreihen über einen Zeitraum von 180 Jahren in Folge, beginnend mit dem Deutschen Zollverein, präsentiert. Die Zeitreihen decken nicht nur die Zeit des Deutschen Reiches ab, sondern auch die der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und des wiedervereinigten Deutschlands. Einwohnerzahlen sowie Geburten- und Sterberaten für die Zeit vor 1871 wurden neu berechnet. Neu in dieser Zusammenstellung sind darüber hinaus Daten über das Heiratsalter oder die Berechnung der Wiederverheiratungsraten von verwitweten und geschiedenen Personen. Der Abschnitt über Haushalte und Familien, die normalerweise beim Thema Bevölkerung nicht behandelt werden, erweitert die bislang vorhandenen Zeitreihen weiter zurück in die Geschichte.
Die Analyse von Zeitreihendaten für politische Partizipation und die Stimmenanteile der politischen Lager zeigt, dass nicht nur der Anteil der Wahlberechtigten im Lauf der Zeit signifikant gestiegen ist, sondern dass es seit 1871 auch erhebliche Unterschiede in der Wahlbeteiligung sowie beim Stimmenanteil für die Parteien der sozialistischen, christlich-demokratischen, liberalen und konservativen Parteifamilien gab.
Im Kapitel über Kriminalität findet man, erstmals systematisch zusammengestellt, bisher verstreut vorliegende Zeitreihen ab 1836, die verschiedene Rechtssysteme umfassen. Die Reihen zeigen nicht nur den Wandel der Kriminalität, sondern auch die wechselnden Rechtsgrundlagen und Strafverfolgungspraktiken. Erstmals werden hier harmonisierte Reihen veröffentlicht, die auf konstante Bevölkerungsgrößen umgerechnet wurden (pro 10 000).
Das Kapitel zu Kultur, Tourismus und Sport betritt in vielerlei Hinsicht Neuland. Bei den Themen der Kultur-, Freizeit- und Tourismusgeschichte handelt es sich um Bereiche, die lange Zeit nur sporadisch von der Statistik erfasst wurden. Zum ersten Mal wird hier der Versuch unternommen, trotz unterbrochener Datenreihen und wechselnder Bezugsgrößen lange Reihen darzustellen, die Einblicke in die kulturelle Entwicklung zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart liefern. Nicht nur die Einzelreihen zu Zeitungen, Zeitschriften, Theatern, Kinos, Büchern und Bibliotheken sowie dem Bereich des Tourismus liefern neue Einsichten, sondern vor allem der Vergleich verschiedener Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, die gegenseitige Abhängigkeiten aufwiesen und -weisen. Auch für die Entwicklung des Bereichs Turnen und Sport werden hier erstmals von den 1860er Jahren bis zur Gegenwart Datenreihen präsentiert.
Der Abschnitt über die Landwirtschaft präsentiert zum ersten Mal lange Zeitreihen für alle landwirtschaftlichen Hauptindikatoren von ca. 1870 bis heute. Für den Zeitraum von 1950 bis 1990 kann die landwirtschaftliche Entwicklung der beiden deutschen Staaten verglichen werden.
Das Kapitel zu Unternehmen, Industrie und Handwerk liefert unter anderem zum ersten Mal eine umfassende Übersicht über die Statistik der Aktiengesellschaften von 1886 bis 2011. Im Vergleich zu früheren Publikationen wurden diverse Reihen deutlich überarbeitet. Das Kapitel enthält neue bzw. aktualisierte Zeitreihen für industrielle Produkte wie Bier und Personenwagen, die zusammen mit längeren Zeitreihen zu traditionellen Gütern wie Kohle, Stahl oder Strom die Produktionszyklen und strukturellen Veränderungen von 1871 bis zur Gegenwart zeigen. Das Handwerk ist hierfür erstmals seit Beginn seiner statistischen Erfassung Mitte der 1920er Jahre berücksichtigt.
Der Abschnitt über Handel und Außenhandel zeigt zum ersten Mal den Grad der Öffnung des Handels der deutschen Wirtschaft seit 1850. Er liefert auch langfristige Daten über die Einund Ausfuhr einzelner Branchen wie den Textilhandel oder den Kraftfahrzeugbau.
Darüber hinaus werden zum ersten Mal Daten für die deutsche Zahlungsbilanz präsentiert, die die Zeit von den 1880er Jahren bis in die Gegenwart abdecken.
Eine Historische Statistik Deutschlands wäre nicht vollständig, würde sie die nationale Entwicklung nicht auch in einen größeren Kontext einordnen. Ein weiteres Kapitel ist daher einem Vergleich von Deutschland unter ausgewählten Aspekten mit Frankreich, Italien, Japan, Großbritannien und den USA gewidmet. Der Beitrag profitiert von aktuellen Forschungsergebnissen des Groningen Growth and Development Centre (GGDC)31 sowie des Projektes „Clio Infra“, dessen Daten auch jüngst von der OECD unter dem Titel „How Was Life? Global Well-Being Since 1820“ publiziert wurden.32
Schließlich wurden in der zweiten Auflage ein Kapitel zum Thema Gender aufgenommen, in dem erstmals versucht wurde, systematisch die hierfür verfügbaren Daten zu langen Reihen zusammenzustellen, sowie ein Kapitel zum Thema Ungleichheit, das neben Zeitreihen zur Einkommensungleichheit auch Daten zur Vermögensverteilung präsentiert.

Der Datensatz

Basis für die einzelnen Kapitel bildet ein eigens zusammengestellter Datensatz, in dem alle Zeitreihen auf Jahresbasis enthalten sind.
Zur leichteren Identifikation wurden alle Reihen im Datensatz mit einer eindeutigen ID versehen. Hierzu wurden alle Reihen kapitelübergreifend fortlaufend durchnummeriert. Wenige Reihen wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit jeweils an zwei Positionen wiedergegeben. In diesen Fällen wurde an beiden Positionen die Original-ID angegeben, also diejenige, die die Reihe in der Tabelle aufweist, in deren Zusammenhang sie erstellt wurde. Die fortlaufende Zählung wurde durch die doppelten Wiedergaben aber nicht unterbrochen.


Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz „CC BY-NC-ND 3.0 DE – Namensnennung – Nicht-kommerziell – Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland“ veröffentlicht. Quelle: Thomas Rahlf (Hg.), Deutschland in Daten. Zeitreihen zur Historischen Statistik, 2. Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2022.

Anmerkungen

  1. Johann Gustav Droysen: Die Erhebung der Geschichte zum Rang einer Wissenschaft, in: Historische Zeitschrift, 9 /1 (1863), S. 1– 22.
  2. Ebd., S. 14.
  3. Ausführlich zum konzeptionellen Aspekt siehe Thomas Rahlf: Deskription und Inferenz. Methodologische Konzepte in der Statistik und Ökonometrie (Historical Social Research Supplement 9), Köln 1998.
  4. Zur Vorgeschichte siehe Lars Behrisch: Die Berechnung der Glückseligkeit. Statistik und Politik in Deutschland und Frankreich im späten Ancien Régime (Beihefte der Francia 78), Ostfildern 2015.
  5. Vgl. Wieland Sachse: Die publizierte Statistik bis um 1860, in: Wolfram Fischer/ Andreas Kunz (Hrsg.): Grundlagen der Historischen Statistik von Deutschland. Quellen, Methoden, Forschungsziele (Schriften des Zentralinstituts für Sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin 65), Opladen 1991, S. 3 –14.
  6. In Preußen etwa die „Tabellen und amtliche Nachrichten über den Preußischen Staat“ (ab 1851 herausgegeben vom Statistischen Bureau zu Berlin), die „Zeitschrift des Königlich Preussischen Statistischen Bureaus“ (ab 1861) sowie die „Preußische Statistik“ als „Amtliches Quellenwerk“, herausgegeben in zwanglosen Heften vom Königlich Preußischen Statistischen Landesamt. In Bayern erschienen die „Beyträge zur Statistik des Königreichs Bayern“ (ab 1850), die „Zeitschrift des Königlich-Bayerischen Statistischen Bureaus“ (ab 1869) sowie ab 1894 das „Statistische Jahrbuch für das Königreich Bayern“, in Sachsen das „Jahrbuch für Statistik und Staatswirtschaft des Königreichs Sachsen“ (ab 1853) sowie die „Zeitschrift des Statistischen Bureaus“ (ab 1855).
  7. Bis heute verfügen wir über keine moderne, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Gesamtdarstellung des Programms der amtlichen Statistik. Nach wie vor unverzichtbar ist der Überblick von Gerhard Fürst: Wandlungen im Programm und in den Aufgaben der amtlichen Statistik in den letzten 100 Jahren, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Bevölkerung und Wirtschaft 1872 –1972, Stuttgart/Mainz 1972, S. 13 – 83 sowie ders.: 100 Jahre Reichsund Bundesstatistik. Gedanken und Erinnerungen, in: Allgemeines Statistisches Archiv, 56 (1972), S. 336 – 363.
  8. Beispielhaft für Preußen Michael C. Schneider: Wissensproduktion im Staat. Das königlich preußische statistische Bureau 1860 –1914, Frankfurt a. M. 2013. Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Adam Tooze: Statistics and German State 1900 –1945: The Making of Modern Economic Knowledge (Cambridge Studies in Modern Economic History 9), Cambridge 2001.
  9. Anthony Oberschall: Empirische Sozialforschung in Deutschland 1848 –1914 (Alber-Reihe Kommunikation 21), Freiburg/ München 1997, S. 93.
  10. 1873 der Verein für Socialpolitik, 1909 die Deutsche Gesellschaft für Soziologie, zwei Jahre später die Deutsche Statistische Gesellschaft, bereits 1863 die „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“ (in neuer Folge 1880), 1877 das „Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche“ (das spätere „Schmollers Jahrbuch“), 1890 das „Allgemeine Statistische Archiv“.
  11. Siehe ebd.
  12. Vgl. Christian-Georg Schuppe: Der andere Droysen: neue Aspekte seiner Theorie der Geschichtswissenschaft (Studien zur modernen Geschichte 51), Stuttgart 1998, S. 64ff.; Arthur Alfaix Assis: What Is History For?: Johann Gustav Droysen and the Functions of Historiography, New York u. a. 2014.
  13. Gustav Schmoller: Ueber die Resultate der Bevölkerungsund Moral-Statistik. Vortrag (Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, VI/ 123), Berlin 1871, S. 23.
  14. Ebd.
  15. Die Entwicklungen dieser Jahre und der Folgezeit mit ihren Differenzierungen, erbitterten Auseinandersetzungen und Schulenbildungen sind umfassend erforscht worden. Vgl. hierzu die in Thomas Rahlf: Voraussetzungen für eine Historische Statistik von Deutschland (19./20. Jahrhundert), in: Vierteljahrschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte, 101/3 (2014), S. 322 – 352 angegebene Literatur, insbes. Anm. 58, 79. Zur Wirtschaftsund Sozialgeschichte überblicksartig Jürgen Kocka: Historische Sozialwissenschaften zu Anfang des 21. Jahrhunderts, in: Ders.: Arbeiten an der Geschichte. Gesellschaftlicher Wandel im 19. und 20. Jahrhundert (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 200), Göttingen 2011, S. 78 – 93; Josef Mooser: Sozialund Wirtschaftsgeschichte, Historische Sozialwissenschaft, Gesellschaftsgeschichte, in: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs, 3. Aufl., Reinbek 2007, S. 568 – 591; Benjamin Ziemann: Sozialgeschichte und Empirische Sozialforschung. Überlegungen zum Kontext und zum Ende einer Romanze, in: Pascal Maeder/Barbara Lüthi/Thomas Mergel (Hrsg.): Wozu noch Sozialgeschichte? Eine Disziplin im Umbruch, Göttingen 2012, S. 131–150.
  16. Droysen (Anm. 1), S. 14. Droysen hatte im Übrigen Schmollers Leistung durchaus anerkannt. Vgl. Wolfgang Neugebauer: „Großforschung“ und Teleologie. Johann Gustav Droysen und die editorischen Projekte seit den 1860er Jahren, in: Stefan Rebenich/ Hans-Ulrich Wiemer (Hrsg.): Johann Gustav Droysen: Philosophie und Politik – Historie und Philologie, Frankfurt a. M. 2012, S. 261– 292, hier S. 283; Assis (Anm. 12), S. 92.
  17. Grundlegend bereits die frühen Arbeiten des späteren Nobelpreisträgers für Wirtschaftswissenschaften Simon Kuznets. Zum Konzept zusammenfassend insbesondere ders.: Statistical Trends and Historical Changes, in: Economic History Review, 2nd Series, 3 / 3 (1951), S. 263 – 278.
  18. Maßstäbe mit einem vergleichbaren Konzept, wenngleich in ganz anderer Dimension, setzt in dieser Hinsicht die von über 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstellte Historische Statistik der Vereinigten Staaten: Susan B. Carter u. a. (Hrsg.): Historical Statistics of the United States: Millennial Edition, 5 Bde., Cambridge u. a. 2006.
  19. Ausführlich Rahlf (Anm. 15).
  20. Walther G. Hoffmann (unter Mitarbeit von Franz Grumbach und Helmut Hesse): Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Berlin u. a. 1965.
  21. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Bevölkerung und Wirtschaft 1872 –1972, Stuttgart/Mainz 1972.
  22. Peter Flora: Indikatoren der Modernisierung. Ein historisches Datenhandbuch (Studien zur Sozialwissenschaft 27), Opladen 1975; Peter Flora u. a. (Hrsg.): State, Economy, and Society in Western Europe 1815 –1975. A Data Handbook. Vol. I: The Growth of Mass Democracies and Welfare States; Vol. II: The Growth of Industrial Societies and Capitalist Economies, Frankfurt a. M. 1983 /1987. Die Arbeiten des HIWED-Projektes wurden in dem von Peter Flora gegründeten Mannheimer Zentrum für Sozialwissenschaften (jetzt: Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung) kontinuierlich fortgeführt. Das dort angesiedelte EURODATA Research Archive bemüht sich dabei systematisch um die Zusammenstellung relevanter Daten. Aus diesem Zusammenhang sind weitere statistische Datenhandbücher zur historischen Entwicklung in Deutschland und Europa hervorgegangen. Nachweise bei Rahlf (Anm. 15), S. 340.
  23. Wolfram Fischer/ Jochen Krengel/ Jutta Wietog: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch 1. Materialien zur Statistik des Deutschen Bundes 1815 –1870 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1982; Gerd Hohorst/ Jürgen Kocka/ Gerhard A. Ritter: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch 2. Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1870 –1914 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1978; Dietmar Petzina/Werner Abelshauser/ Anselm Faust: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch 3. Materialien zur Statistik des Deutschen Reiches 1914 –1945 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1978; Ralf Rytlewski/ Manfred Opp de Hipt: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch 4. Die Bundesrepublik Deutschland in Zahlen 1945/49 –1980 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1987; Ralf Rytlewski/ Manfred Opp de Hipt: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch 5. Die Deutsche Demokratische Republik in Zahlen 1945/49 –1980 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1987.
  24. Zum Projekt Peter Lundgreen: Historische Bildungsforschung auf statistischer Grundlage. Datenhandbücher zur deutschen Bildungsgeschichte, in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 9, Beiheft 7 (2006), S. 5 –13. Übersicht über die in der Reihe erschienenen Bände bei der Deutschen Nationalbibliothek: http://d-nb.info/551253630.
  25. Zum Projekt Andreas Kunz: Historische Statistik von Deutschland: ein Forschungsschwerpunkt der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1981–1991, in: Historical Social Research, 22 /2 (1997), S. 236 – 249. Übersicht über die in der Reihe erschienenen Bände bei der Deutschen Nationalbibliothek: http://d-nb.info/016337417.
  26. Hermann Berié: Statistische Übersichten zur Sozialpolitik in Deutschland seit 1945 (Band West), Bonn 1999; André Steiner unter Mitarbeit von Matthias Judt und Thomas Reichel: Statistische Übersichten zur Sozialpolitik in Deutschland seit 1945 (Band SBZ/DDR), Bonn 2006.
  27. Vgl. dazu Thomas Rahlf u. a.: histat: Zeitreihen zur Historischen Statistik von Deutschland online. Aufbau, Inhalt, Aufbereitung, technische Umsetzung, GESIS Technical Reports, 2012 / 09.
  28. Knut Borchardt: Trend, Zyklus, Strukturbrüche, Zufälle: Was bestimmt die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts?, in: Ders.: Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 50), Göttingen 1982, S. 100 –124, hier 101.
  29. Die Zahlen zur Bevölkerung in Kapitel 2 sind für die Zeit vor 1871 auf das spätere Reichsgebiet hochgerechnet.
  30. Statistisches Bundesamt (Anm. 21).
  31. Das GGDC setzt die Arbeiten von Angus Maddison: The World Economy. Historical Statistics, Paris 2003, fort.
  32. Jan Luiten van Zanden u. a. (Hrsg.): How Was Life? Global Well-being since 1820, Paris 2014.